Kein Dienst am Werk­platz Schweiz

Heute jährt sich die Aufgabe des Euro-Mindestkurses durch die Nationalbank. Ein Entscheid, der der Schweiz schadete.

Ein Kommentar von Hans Bärtsch, Wirtschaftsredaktor

Frankenschock – diesen Begriff muss man heute keinem Kind mehr erklären. Die Schweizerische Nationalbank hat mit ihrem Entscheid, den Euro-Mindestkurs aufzugeben, ein veritables Erdbeben ausgelöst, das mehr oder weniger die ganze Volkswirtschaft unseres Landes tangierte. Pardon: tangiert. Denn Nachbeben werden sich noch längere Zeit bemerkbar machen. Vor allem die produzierende und exportierende Industrie – Alstom/General Electric ist nur das jüngste Beispiel – gehört zu den am meisten gebeutelten Branchen, zusammen mit den touristischen Betrieben hierzulande, die den Gästen aus dem Euroraum viel zu teuer geworden sind – auf einen Schlag um satte 15 Prozent.

Bei Bekanntgabe ihres Entscheids am 15. Januar 2015 argumentierte die SNB, ein Festhalten an der Euro-Untergrenze sei nicht mehr tragbar, gesamtwirtschaftlich zu riskant. Die Kardinalfrage ein Jahr später lautet: Hat die SNB den richtigen Entscheid getroffen? Ökonomen und auch die Politik von links bis rechts sind in dieser Frage bis heute zutiefst gespalten. Natürlich – die Schweiz ist nicht untergegangen, die allerdüstersten Szenarien zu Arbeitsplatzverlusten haben sich nicht bewahrheitet, Importeure und Konsumenten können sogar in grossem Stil vom schwachen Euro profitieren.

Aber: Erst 2016 ist das Jahr der Bewährung. Heuer entscheidet sich, wer den Schnauf hat, weiter gegen das günstigere Ausland zu konkurrenzieren. Und wem es nachhaltig gelingt, an der Produktivitätsschraube zu drehen. Man darf nicht vergessen: Die Euro-Untergrenze galt knapp dreieinhalb Jahre lang – und schon die 1.20 Franken waren eigentlich ein viel zu tiefer Wert. Das Fatale am Ganzen: Dem europäischen Ausland, zu dem die Schweiz in starker wirtschaftlicher Abhängigkeit steht, geht es abgesehen von Deutschland nicht wesentlich besser. Und solange das so ist, bleibt der Euro schwach.

Nein, die SNB-Spitze hat der Schweiz mit der Aufgabe des Euro-Mindestkurses keinen guten Dienst erwiesen. Die Nationalbank hat zwar den eigenen Kopf aus der Schlinge gezogen, sprich eine massiv aufgeblähte Bilanz vermieden. Die Kehrseite der Medaille ist ein Werkplatz Schweiz, der einer heftigen, unnötigen Dauerzerreissprobe ausgesetzt ist.