Eine Überserie («Succession»), zweimal das Thema Spitzengastronomie («The Bear» und «Boiling Point»), diverse herausragende Dramen («Happy Valley», «Blue Lights», «Fauda») und auch einiges fürs Gemüt («Ted Lasso», «Somebody Somewhere», «Die Wespe»). Mit dem TV-Serien-Jahr 2023 könnte die Ära der Streamingdienste, die Milliarden in neue Inhalte pumpen, den Scheitelpunkt erreicht haben. Denn sie alle (abgesehen von Netflix) schreiben tiefrote Zahlen. Das wird Einfluss auf künftige Angebote haben. Geniessen wir die Riesenauswahl also noch, solange es sie gibt. Eine Enttäuschung waren – einmal mehr – internationale Kooperationen von öffentlich-rechtlichen Sendern, zum Beispiel «Der Schwarm» und «Die Saat». Dafür hat die BBC mit grossartigen Miniserien geglänzt.
«Succession» – Schlussstaffel 4 (HBO/Sky)
Besser geht Serienerzählen schlicht nicht; und dies bis zur allerletzten Szene. Der Machtkampf um ein Medienimperium eskaliert, nachdem das Familienoberhaupt verstorben ist. Für Logan Roy waren seine Kinder allesamt Luschen, für die Zuschauenden bleiben die Figuren durchs Band unsympathisch. Wie konsequent!
«Happy Valley» – Schlussstaffel 3 (BBC One)
Das Leben in einer britischen Kleinstadt gerät für eine Polizistin wegen eines Mörders und Sexualstraftäters aus den Fugen. Erneut. Dazu kommt ihre baldige Pensionierung. Emotional eine der intensivsten Serien mit tiefem Blick in die Abgründe des menschlichen Wesens.
«Fauda» – Staffel 4 (Netflix)
Im Moment ist der Konflikt im Nahen Osten ja ein äusserst realer. «Fauda» ist Fiktion. Aber auch ein Erklärstück, warum die israelisch-palästinensische Beziehung derart hoffnungs- und ausweglos ist. In diesem Sinne hat diese Serie etwas Visionäres, zumal es diesmal um eine Geiselbefreiung in Gaza geht.
«Blue Lights» – Staffel 1 (BBC One)
Drei Polizeirekruten müssen sich in Belfast bewähren. Was alles andere als einfach ist. Denn: Wem lässt sich auf der Strasse und bei der eigenen Einheit vertrauen? Nordirland ist noch heute ein Minenfeld – das zeigt der erschütternde Verlust eines der erfahrensten Beamten mit aller Heftigkeit.
«Boat Story» – Miniserie (BBC One)
Eine Mischung aus Quentin Tarantino und den Coen Brothers. Eigentlich ein Actionthriller, aber erzählt mit viel dunkelschwarzem Humor. Zwei komplett unterschiedliche Menschen kommen durch einen Zufall bei einem gestrandeten Boot zueinander und stolpern danach von einem Problem zum nächsten. Wie der eigentliche Bösewicht durch die Liebe (fast) vom Weg abkommt, ist einer der grossartigsten Einfälle der jüngeren TV-Serien-Geschichte.
«The Woman In The Wall» – Miniserie (BBC One)
Wer die unglaubliche Ruth Wilson noch nie in Aktion sah, hier ist ihre perfekte Spielwiese. In diesem Mysterythriller leidet sie an extremen Anfällen von Schlafwandeln. Und kann sich entsprechend nicht erklären, was es mit der Leiche in ihrem Haus auf sich hat. Dass zum Schluss ein bisher unveröffentlichter Song von Sinéad O’Connor erklingt, ist kein Zufall, denn auch sie hat ein Kind verloren. Mehr sei nicht verraten.
«Boiling Point» – Miniserie (BBC One)
Die Serien-Fortsetzung des gleichnamigen Erfolgsfilms. Diesmal gibt Sous-Chef Carly den Ton in der Küche des «Point North» im britischen Dalston an, während ihr Mentor sich von einem Herzinfarkt erholt. Die Zutaten sind die üblichen: Riesenstress im Job und ein kompliziertes Privatleben, das alles in einer krisengeschüttelten Branche. Erzählt ist die Geschichte famos.
«The Bear» – Staffeln 1 und 2 (Disney+)
Das eben Gesagte gilt auch für diese Serie, die ennet dem Teich in Chicago spielt (plus einem Abstecher nach Kopenhagen). Was selten vorkommt: Staffel 2 ist noch stärker als die von der Kritik bereits hochgelobte erste Staffel (in die ich zugegebenermassen fast nicht reingefunden habe anfänglich). Die Steigerung hat mit der Charakterzeichnung der Figuren zu tun, die sehr tief geht.
«Slow Horses» – Staffel 3 (Apple TV+)
Eine Spionage-Serie, von der ich letztes Jahr gesagt habe, man hätte es auch bei einer Staffel belassen können. Was für ein Irrtum. Die «lahmen Gäule» kommen hier zum dritten Mal in Fahrt, angetrieben vom unverändert mürrischen, aber höchst cleveren Jackson Lamb (Gary Oldman). Staffel 4 soll bereits im Kasten sein. Weiter so!
«Somebody Somewhere» – Staffeln 1 und 2 (HBO/Sky)
Eine US-Kleinstadt und queere Freundschaften. Das passt ja wie die Faust aufs Auge. Trotz aller Schwierigkeiten bildet sich hier eine Gemeinschaft von Aussenseitern. Das rührt alle paar Minuten zu Tränen und ist eine der herzerwärmendsten Serien überhaupt.
«Ted Lasso» – Schlusstaffel 3 (Apple TV+)
Apropos herzerwärmend: Dieses Attribut gilt natürlich auch für diese Serie um den Trainer einer britischen Fussballmannschaft, der von seiner Herkunft her (USA) eigentlich nur von Football eine Ahnung hat. Ehrlich gesagt bin ich froh, haben die Macher ein Ende gefunden, das nicht enttäuscht. Denn die Qualität der einzelnen Folgen schwankte zwischendurch doch bedenklich.
«Die Wespe» – Staffel 3 (Sky)
Und gleich noch eine Wohlfühlserie. Dart-Legende Eddie Frotzke trifft auf seinen verhassten Bruder Ecki. Und auf ein Teenie, das behauptet, seine Tochter zu sein. Was nicht von der Hand zu weisen ist, denn auch sie hat grosses Talent im Pfeile werfen.
«The Diplomat» – Staffel 1 (Netflix)
Diplomatie kann kompliziert sein. Insbesondere, wenn man als Frau in einer globalen Krisensituation von den USA auf einen entsprechenden Posten im Vereinigten Königreich beordert wird und dabei der Ehemann (ein Starpolitiker) dauernd in die Quere kommt. Mit der Realität hat das Ganze wohl nicht viel zu tun, aber enorm spannend und unterhaltsam ist es allemal.
«Yellowstone» – Staffel 5 (Paramount)
Langsam aber sicher neigt sich diese epische Serie um eine Viehzüchterfamilie in Montana ihrem Ende entgegen. Auch wenn es bereits Ableger gibt («1883», «1923»), hier werde ich eine Träne verdrücken. Denn zu sehr haben einem die Kreativköpfe die Figuren ans Herz wachsen lassen.
«Inside No. 9» – Staffeln 7 und 8 (BBC/Arte)
Rabenschwarze Anthologie-Serie, in der es in irgendeiner Form immer um die Zahl 9 geht. Ob Kammerspiel, Horror, Slapstick: Jede Folge ist anders. Und überrascht entsprechend. Sehr innovatives Serienformat.
Ebenfalls gern gesehen (nicht alles mit Entstehungsjahr 2023):
«Beef» – Staffel 1 (Netflix)
«Best Interests» – Miniserie (BBC One)
«Billions» – Schlussstaffel 7 (Sky)
«Cunk On Earth» – Staffel 1 (BBC Two)
«Der Pass» – Schlussstaffel 3 (Sky)
«Derry Girls» – Staffeln 1 bis 3 (Channel 4/Netflix)
«Die nettesten Menschen der Welt» – Miniserie (ARD)
«Hijack» – Miniserie (Netflix)
«Jeux d’influence – Les Combattantes (Giftige Saat)» – Staffeln 1 und 2 (Arte)
«Justified: City Primeval» – Miniserie (Disney+)
«Karen Pierie (The Killer Is Coming Home)» – Staffel 1 (ITV/ZDF)
«Liebes Kind» – Miniserie (Netflix)
«Maestro (In Blue)» – Miniserie (Netflix)
«Nackt über Berlin» – Miniserie (Arte/ARD)
«Never Have I Ever» – Staffel 4 (Netflix)
«Secret City» – Staffeln 1 und 2 (Netflix)
«Sex Education» – Schlussstaffel 4 (Netflix)
«Silo» – Staffel 1 (Apple TV+)
«Sky Rojo» – Schlussstaffel 3 (Netflix)
«Steeltown Murders» – Miniserie (BBC)
«Subburæterna» – Staffel 1 (Netflix)
«The Gold» – Miniserie (BBC One)
«The Last Of Us» – Staffel 1 (HBO/Sky)
«The Night Agent» – Staffel 1 (Netflix)
«Thunder In My Heart» – Staffeln 1 und 2 (SWR)
«Trigger Point» – Miniserie (ITV/ZDF)
«Tschugger» – Staffel 3 (SRF)
«Vigil» – Staffel 2 (BBC One)
«We Hunt Together» – Staffel 1 (Alibi/BBC)
«Wolf» – Staffel 1 (BBC One/BBC Wales)
«Your Honor» – Staffel 2 (Showtime)