Mit dunklen Klängen in die Welt hinaus

«15 Jahre Hymnen an die Melancholie»: Unter diesem Titel hat Michael Sele aus Sargans, Sänger und Kopf von The Beauty Of Gemina, die ersten eineinhalb Jahrzehnte dieser faszinierenden Band zusammengefasst. Das Buch erklärt insbesondere auch, warum es immer wieder zu Karrierebrüchen in Form von Besetzungswechseln kam.

von Hans Bärtsch (Text und Bilder)

Im Palais X-tra in Zürich fand im März 2007 das erste Konzert im grösseren Rahmen von The Beauty Of Gemina statt. Andere beginnen klein, TBOG richteten damals gleich mit der ganz grossen Kelle an – die Lokalität fasst 2000 Personen. 15 Jahre später erinnert sich Michael Sele daran, dass er damals während des ganzen Auftritts kein einziges Mal zum Publikum gesprochen habe. Beim Konzert von kürzlich zur Feier dieser 15 Jahre waren es auf derselben X-tra-Bühne auch nur wenige, bedachte Worte. Eine Quasselstrippe ist aus Sele in dieser ganzen Zeit nicht geworden. Dafür ein Sänger, Gitarrist und Pianist mit unglaublicher Tiefe und Eleganz.

Beim Jubiläumsauftritt stehen die Songs aus mittlerweile mehr als einem Dutzend Alben im Zentrum – von tanzbaren, härteren Nummern der Frühzeit bis zu melancholischen Balladen der jüngeren Vergangenheit. Dark Wave lässt sich als stilistischer Überbegriff drüberstülpen – eine Mischung als Elektro, Gothic Rock, Neofolk. Dunkle und elegische Klänge.

Start auf der grünen Wiese im Alten Kino Mels

Spannend aus regionaler Sicht ist das knapp 200-seitige Buch «15 Jahre Hymnen an die Melancholie», in dem der Kopf hinter The Beauty Of Gemina sehr persönlich zurückblickt. Und auch die weniger erbaulichen Karrierephasen nicht ausklammert. Angefangen hat das Ganze bereits in den Neunzigerjahren mit Bandprojekten namens Two Tunes und Nuuk. Im Alten Kino in Mels hatte Sele um 2005 die Möglichkeit, einen Proberaum beziehungsweise ein Studio einzurichten. Es begann quasi auf der grünen Wiese: Ohne Ahnung, ob und wie man jemals live auftreten würde, ohne Management, Plattenfirma, Vertrieb, Bookingagentur – eigentlich ohne irgendeinen Partner im Musikgeschäft.

Die Begegnung mit dem Schlagzeuger Mac Vinzens sollte sich als glückliche Fügung herausstellen. Er ist für Sele bis heute die grösste Konstante bei TBOG. Jedenfalls schlug das Debütalbum «Diary Of A Lost» in der Elektro- und Gothic-Szene gleich gehörig ein. Songs wie «Suicide Landscape» oder «Hunters» mit ihren treibenden Beats gehören noch heute zum Standardrepertoire bei Liveauftritten. Das Album war der Türöffner zu einschlägig bekannten Festivals wie dem Wave-Gothik-Treffen in Leipzig, dem Whitby Goth Weekend in England, dem M’era Luna in Hildesheim.

Nahezu eine «Mission impossible»

Die grosse Problematik, die sich gemäss Sele stellte: Live war das, was im Studio ertüftelt wurde, nur mit enormem Aufwand umzusetzen, was bestimmte Konzertlokalitäten erforderte. Dem stand der insgesamt doch noch eher bescheidene «Marktwert» der Band gegenüber. Das Buchen von Auftritten war nahezu eine «Mission impossible».

Das Feuer war jedoch entfacht, nicht zuletzt dank Erlebnissen wie dem Vorprogramm von Smashing Pumpkins im Zürcher Hallenstadion. In der Folge nahm das TBOG-Schiff Fahrt auf. In der Regel nach demselben Muster: Sele entwarf neue Songs, spielte sie mit immer wieder wechselnden Musikern – bis dato um die 30 – ein und spielte damit Konzerte. Nicht enorm viele, dafür immer wieder an sehr speziellen Orten. Und teils in sehr reizvollen Besetzungen – mit Streichern wie dem international tätigen Werdenberger Cellisten Raphael Zweifel etwa, der schon mit den Toten Hosen auf Tour war und aktuell mit dem deutschen Rapper Moses Pelham.

LP von Soloauftritt in Eschen

Zu den Aktivitäten von The Beauty Of Gemina gehört mit jedem neuen Album die Realisierung von Videoclips. Darunter so speziellen wie dem Dreh mit der Maskengruppe Hohlgasspass in der Rheinau an einem kalten Wintertag 2017. Solche Clips erreichen auf Youtube jeweils sechsstellige Klickzahlen.

Um einen Sprung zu machen: Corona hat natürlich auch die Tätigkeiten von Sele und Band eingeschränkt. Es war aber auch die Phase, Neues zu entdecken. Namentlich erwähnt sei die akustische Umrahmung von Lesungen der ostdeutschen Schauspielerin Katharina Thalbach. Und insbesondere die Soloperformance in den Little-Big- Beat-Studios in Eschen im Rahmen der Reihe «Solo Live Recording». Daraus entstand später eine LP (keine CD!).

Touren bis nach Südamerika

In der Region trat Sele immer nur dosiert auf. Das konnte im Bergwerk sein (Flums oder Sargans), im Alten Kino Mels, am Quellrock in Bad Ragaz. Die wohl verrücktesten Touren führten TBOG nach Südamerika, wo sie von den Fans auf Händen getragen wurden. Ein pures Vergnügen waren solche Reisen nicht, allein wenn man schon an das Gepäck mit all den Instrumenten denkt.

In der Band kam es, wie erwähnt, zu regen Wechseln. Ebenso hinter den Kulissen. Das waren in der Erinnerung Seles manchmal sehr schmerzliche Erfahrungen. Umgekehrt kam es zu immer wieder neuen Begegnungen, die lang und tief anhielten – etwa mit Fans oder sonstigen Personen aus dem Anhang der Band, die plötzlich in bedeutsame Rollen hineinwuchsen. Seles lebendige Erzählung lässt die interessierte Leserschaft nun teilhaben am Musiker, Künstler und Menschen Michael Sele. Das Buch gibt auch einen Einblick ins Rockbusiness, an dessen Rändern die Formation The Beauty Of Gemina unterwegs ist. Und hoffentlich noch weiter sein wird. Erhältlich ist «15 Jahre Hymnen an die Melancholie» via die Website der Band.

http://www.thebeautyofgemina.com

Michael Sele: «15 Jahre Hymnen an die Melancholie». TBOG Music Edition. 192 Seiten. 54 Franken. (Zu beziehen via die Website von The Beauty Of Gemina.)

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